Turin ! Nach neun Jahren war es wieder einmal soweit. Diesmal war ich für eine Jurysitzung für das Share Festival bestellt, und mein Mann war Teil des Artmaker Programms desselben Festivals. Für nur einen Tag Arbeit in eine andere Stadt zu fliegen geht meiner Meinung nach gar nicht, da müssen unbedingt (einfach wegen des generellen Aufwandes) noch drei Tage Urlaub angehängt werden. Und nachdem wir ja sonst so gut wie nie Urlaub machen, ist so ein Arbeits-Ausflug immer eine gute Ausrede dafür !
Wir sind mit dem Flugzeug bis nach Mailand geflogen und dort von Daniele mit dem Auto abgeholt worden. Wir haben die Idee gehabt, dass wir vielleicht ein wenig von der Landschaft sehen könnten, wenn wir statt der Autobahn ein paar Landstrassen von Mailand nach Turin nehmen könnten. Daniele hat uns angesehen als ob wir leicht wahnsinnig wären und hat gemeint, das würde nicht nur vier mal so lang dauern, sondern auch landschaftlich rein gar nichts bringen. Nach zehn Minuten auf der Autobahn haben wir verstanden: der Weg von Mailand nach Turin führt durch die Po Ebene und ist durchgehend flach (wie es der Name der Gegend vermuten lässt) und zum Betrachten tatsächlich etwas … naja… langweilig (Ende Februar tut sich auch in Norditalien einfach noch nicht viel in der Pflanzenwelt, alles ist braun und kahl).
Am ersten Tag haben mein Mann und ich brav gearbeitet und zur Stärkung gab es am Nachmittag für alle Beteiligten ein leckeres Buffet mit vielen vegetarischen Sachen. Turin liegt im Piemont und eine der vielen lokalen Spezialitäten sind Grissini, die es in der ganzen Stadt in jeder Bäckerei frisch gebacken zu kaufen gibt →
Von den kleinen Süssigkeiten als Nachspeise waren wir natürlich auch ganz hingerissen →
Was in Österreich zur Faschingszeit die Krapfen sind, sind in Turin die sogenannten Bugie, die als typisches Karnevalsgebäck in dieser Zeit allgegenwärtig zu sein scheinen →
Aus purem Zufall lag dieses Kochbuch mit Rezepten der Missoni-Familie neben dem ganzen Essen zum Durchblättern herum. Es hat etwas für Belustigung gesorgt, wie durchgehend alle Mitglieder der Familie auf den Fotos typische Missoni-Kleidung trugen. Laut diesem Kochbuch scheint das Geheimnis der guten italienischen Küche in den Unmengen an Schlagobers (= Sahne), Butter und Parmesan zu liegen, aber die vegetarischen Rezepte in diesem Buch sind meiner Meinung nach durchaus brauchbar. Wer sich ein paar Rezepte in diesem Buch ansehen möchte, kann das hier auf Amazon (Partnerschaftslink) tun →
Nach getaner Arbeit sind wir noch ein bisschen in der Gegend herumspaziert, haben in ein paar Hinterhöfe geschaut … →
… und uns insgeheim schon auf unser (italienisches) Abendessen gefreut. 😉
Die Restaurants in Turin sperren am Abend erst gegen 19h auf, das ist für uns zwar etwas ungewöhnlich, aber man passt sich an, da einem ohnedies keine andere Wahl bleibt. Die Preise für Essen in einem Restaurant sind definitiv um einiges höher als bei uns in Österreich. Es gibt immer Antipasti (kalte Vorspeisen), Primi Piatti (Vorspeisen) und Secondi Piatti (Hauptspeisen). Ich bin mir bis jetzt noch nicht wirklich sicher, wie dieses System genau funktioniert – ob man tatsächlich Vor- und Hauptspeise essen soll (weil das kann ich mir von der Gesamtmenge her kaum vorstellen) oder ob man einfach je nach Hunger eine kleine Vorspeise oder eine Hauptspeise isst (?).
Wie auch immer, wir haben in Turin sowohl teuer und schlecht, aber auch gut und billig wie auch teuer und gut gegessen. Ich will hier aber nur kurz die Lokale vorstellen, die ich auch guten Gewissens weiterempfehlen kann:
Das Bottega Baretti (an der Ecke Via Baretti und Via Sant’Anselmo) hat sich dem “slow food” verschrieben. Man kann sich dort aussuchen, aus welchem Mehl die Pizza gemacht werden soll. Also gab es für uns eine Pizza mit Mehl aus schwarzem Venere-Reismehl … →
und eine Kürbissuppe mit pochiertem Ei in Reiskruste (Vellutata di zucca e curcumacon uovo pochet in crosta di riso) →
Hier gibt es die gesamte Speisekarte: http://www.bottegabaretti.com – und hier noch mehr Fotos zum Gustieren: https://www.facebook.com. In diesem Lokal lohnt es sich auf jeden Fall, einen Platz zu reservieren, weil wer spontan etwas später kommt, muss sich sonst in die Schlange vor dem Lokal einreihen.
Im Ballatoio, bistrot di ringhiera (Via Principe Amedeo 22c) haben wir hervorragend zu Mittag gegessen. Nachdem es um 13h komplett voll war, haben wir für eine Stunde später reserviert – und das tolle Essen dort war das Warten absolut wert ! www.ballatoiobistrot.it
Wir haben uns für die Gnocchi aus blauen Kartoffeln mit Kürbissauce und einem Käse aus der Piemont Region mit Mandel-Bröseln … →
… und für einen Spinat-Flan mit Käsesauce, rotem Risotto und diversen Kohlsorten entschieden →
Am ersten Urlaubstag haben wir beschlossen, ein wenig aufs Land zu fahren, und zu diesem Zweck haben wir uns die Ponte del Diavolo in Lanzo als Destination ausgesucht.
Vom neu renovierten Bahnhof weg … →
… ging es mit dem Bus zu einem kleineren Bahnhof, von wo aus wir einen fast schon antiken kleinen Zug nach Lanzo genommen haben →
Nach einem relativ kurzen Spaziergang vom Bahnhof weg hat man das Ausflugsziel auch schon erreicht →
Die Brücke wurde 1378 gebaut. Zwei zuvor gebaute Brücken waren eingestürzt waren und man hat dies kurzerhand dem Teufel in die Schuhe geschoben. Der Legende nach gab es bei dieser dritten Brücke einen Deal zwischen einem Einsiedler und dem Teufel, der im Austausch für die erste Seele, die über diese Brücke spazieren würde, die Brücke selbst einsturzsicher bauen würde. Als die Brücke fertig war, schickte der Einsiedler schlauerweise seinen alten Hund über die Brücke, und der Teufel war deswegen teufelswild und hat mit seinen Klauen ein paar Löcher in die umliegenden Steine geschlagen (“Marmitte dei giganti”, man könnte diese aber wahrscheinlich auch als geologisches Phänomen betrachten).
Auf dem Rückweg sind wir noch ein bisschen im Dorf herumspaziert, aber leider waren alle Geschäfte einfach zu, weil … Mittwoch war (?) →
Kurz vor der Rückreise haben wir beschlossen, uns noch einen Espresso im Caffè Stazione, das gleich neben dem Bahnhof liegt, zu gönnen. Es gab drei verschiedenen Nachspeisen zur Auswahl und wir haben die bestellt, von der wir am wenigsten verstanden haben, was es sein könnte. Es wurde ein Bunet amaretti, eine Spezialität der Piemont Region, eine Art Pudding mit Mandelkeksen (hier hab ich ein Rezept dazu gefunden) →
Am nächsten Tag war in Turin der Besuch des (einfach riesigen !) Marktes Porta Palazzo (Piazza della Repubblica) angesagt. Man findet hier vieles, was das Vegetarier-Herz schneller schlagen lässt: zum Beispiel diesen fingerartigen Radicchio und Radicchio Castelfranco (das ist der getupfte Salat rechts im Bild) … →
… oder auch Cima di rapa (Stängelkohl) – der schien gerade in Saison zu sein →
Auf dem Markt gibt es auch eine Unmenge an lokalen und anderen, mir bis dahin gänzlich unbekannten, Käsesorten →
An diesem Punkt haben wir beschlossen, dass wir am Abend nicht in ein Restaurant gehen werden, sondern dass wir es uns mit einer Auswahl an Käse, etwas Focaccia und einem Glas Rotwein im Hotel Urbani (Via Saluzzo 7) gutgehen lassen würden →
Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, wir hätten drei Tage lang nur gegessen und sonst nichts unternommen, soll nun auch ein paar andere touristische Eindrücke bekommen, wie zum Beispiel hier von der Piazza Castello … →
… oder der Piazza Vittorio Veneto (dem angeblich grössten zusammenhängenden Platz in einer Stadt in Europa) →
Weil es das Wetter erlaubt hat, sind wir auf diesem Platz in einem Lokal ein wenig in der Sonne gesessen. Ich wollte eigentlich so etwas wie ein Mineral-Zitrone, bin aber dann mit einer sogenannten Spremuta di Limone überrascht worden: das ist ein Glas voll mit reinem Zitronensaft und es ist, wenn man den Zucker weglässt, sehr … erfrischend 😉 →
Und natürlich waren wir auch im Mole Antonielliana, dem Wahrzeichen von Turin. Das Gebäude ist so dermassen hoch, dass man es, solange man sich am Boden bewegt, nie wirklich gut fotografieren kann. Ist man zu knapp dran, sieht man die Spitze nicht … →
… und ist man zu weit weg, dann stehen einem nicht nur andere Gebäude, sondern auch die extreme Luftverschmutzung in Turin im Weg (leider ist Turin damit in Europa führend) →
Wir haben den Aufzug bis hinauf in die Spitze der Turms genommen, um ein paar Blicke von oben auf die Stadt und die Umgebung zu werfen (auch hier kann man die etwas “dicke Luft” erkennen) … →
Danach haben wir uns stundenlang im Museo Nazionale del Cinema herumgetrieben, welches sich über mehrere Stockwerke verteilt im Inneren des Gebäudes befindet und wirklich absolut empfehlenswert ist !!!
Nachdem ich ja selbst (als Künstlerin) hin und wieder Live Visuals mache, haben es mir diese frühen Geräte (Cycloidotrope), mit denen man mittels Licht abstrakte Muster an die Wand werfen konnte, natürlich sehr angetan →
Und dass Selfies nur eine moderne Erscheinung sind, sei mit diesem Foto von einem alten Werbeplakat für eine Stereokamera von Jules Richard aus dem frühen 20. Jahrhundert ein für allemal widerlegt →
In der Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino auf der Piazza Carlo Alberto … →
… gab es im Keller eine Ausstellung über das Schaffen und Werken von Icilio Guareschi, einem italienischen Chemiker und Chemiehistoriker. Ich hoffe, es behauptet jetzt niemand, dass das nichts mit Kochen zu tun hat ! 😉 →
Wir haben uns an den drei Urlaubstagen in Turin natürlich noch eine ganze Menge mehr angesehen, aber alles aufzulisten würde hier wiederum den Rahmen sprengen.
Worauf ich aber noch kurz hinweisen will, ist dieses eine Schuhgeschäft, in dem man für rund 200 € wunderschöne handgenähte (!!!) Schuhe erstehen kann: La Marchigiana (Via Saluzzo, 33), https://www.lamarchigianastore.com
Und im Geschäft Siccardi (Via Principe Amedeo 22 /b, Equipment für Patisserie, Küche und Restaurants) hab ich einen sogenannten Puntarelle-Schneider (Partnerschaftslink) erstanden →
Es gibt in Wien zwar kaum Puntarelle zu kaufen, aber man kann damit herrlich im Handumdrehen Zucchini in dünne rechteckige Streifen zerlegen, indem man die Zucchini einfach der Länge nach durch das Gitter steckt ! (Mit einer Pastinake hab ich gleich dasselbe probiert, aber die war eindeutig zu fest. Das Testen wird aber mit Sicherheit weitergehen).
Somit hab ich jetzt nicht nur ein neues kleines und praktisches Küchengerät zu Hause, sondern auch noch eine schöne Erinnerung and unseren Kurzurlaub in Turin.