Gleich vorab, wegen dem Gesetz über Werbung und so: Ich habe das Buch “Vegetarisch” von Paul Ivić freundlicherweise vom Dorling Kindersley Verlag (DK) ohne inhaltliche Vorgaben als Rezensionsexemplar erhalten.
Es steht gerade Weihnachten vor der Tür und zufällig ist auch gerade das neue Kochbuch von Paul Ivić herausgekommen (Wink mit dem Zaunpfahl: wer noch nach passenden Geschenken sucht, weiss jetzt gleich, was er/sie noch schnell besorgen kann!)
Als ausgemachter Fan der Küche von Paul Ivić (no-na-net, sonst hätt ich ja nicht schon jedes Buch, das er herausgebracht hat, rezensiert), war ich vom Volumen dieses neuen Buches schwer beeindruckt – das ist jetzt im Vergleich mit seinen bisherigen Büchern fast schon so wie “Telefonbuch vs. Reklamhefterl”. Nicht ganz, aber fast. Aber im Ernst: Auf genau 400 Seiten mit grossartigen Fotografien von Ingo Pertramer gibt es viel zu lesen, zu lernen und auszuprobieren.
Ich würde dieses Buch so gerne mit 100% weiter empfehlen, einfach, weil ich es selbst richtig grossartig finde, allerdings muss ich hier leider ein paar (ganz wenige) Prozentpunkte abziehen, weil es ein paar kleine Haken gibt. Ich will nicht lange um den heissen Brei (für den es in diesem Buch sicher auch ein Rezept gibt) herumreden:
Wie von Paul Ivić auch selbst in diesem Buch geschrieben, sieht er Rezepte mehr als Inspiration und Ermutigung, das Koch-Zepter selbst in die Hand zu nehmen und sich die Rezepte zu eigen zu machen: “Rezepte sind in meinen Augen nur Anleitungen, und ich wünsche allen viel Spaß beim Entdecken neuer Geschmäcker und eigener Kreationen”.
Das Resultat dieser Einstellung ist allerdings, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, für wie viele Leute ein Rezept jetzt wirklich gedacht ist bzw. manchmal sind die Mengenangaben wohl eher geschätzt als sorgfältig kontrolliert.
Mein erstes nachgemachtes Rezept war eine Paprika-Quiche (S. 122). Ich hab mich ganz genau an die Mengenangaben für den Teig gehalten, aber für eine Form mit 22cm Durchmesser war das einfach zu viel Teig. Ich wollte mich ans Rezept halten und so hat meine Quiche aus unverhältnismässig viel Teig bestanden. Ich bin immer noch lernfähig und werde beim nächsten Mal den Teig einfach so dünn ausrollen, wie ich das eben selbst für richtig empfinde und den Rest vom Teig, der zu viel ist, anders verwenden. Oder mir eine Notiz ins Buch schreiben und beim nächsten Mal die Mengen anpassen.
Mein zweites nachgekochtes Rezept aus diesem Buch war Kürbislasagne. Mein Fehler hier: ich hab das Rezept nicht ganz genau vorab durchgelesen, weil ich davon ausgegangen bin, das so ein Rezept wahrscheinlich, wie oft üblich, für an die 4 Personen gelten wird. Beim Punkt “Fertigstellen” steht: 1 Auflaufform. Und bin davon ausgegangen, dass damit eine haushaltsübliche Grösse einer Auflaufform gemeint sein wird.
500 g Kürbis. Das klingt fürs erste nicht sooooo viel. Ich schäle also den Kürbis, schneide ihn mit dem Küchenmesser akribisch genau in 5 mm kleine Würfelchen und frag mich zur selben Zeit, ob das wirklich notwendig ist und ob man das in der fertigen Lasagen wohl auch merken wird. (Die Antwort auf beide Fragen sei vorweggenommen: Ja!). Ich fange langsam an, mir Gedanken zu machen, ob 500 g nicht doch zu viel sein könnte, und ich lese das Rezept ein bisschen weiter durch: Bechamel mit 1 Liter (!) Milch. Ich lese weiter: 1 kg Pomodori Pelati aus der Dose! Es dämmert mir, dass das alles viel zu viel sein wird und ich beschliesse, nur das halbe Rezept zu machen und die Hälfte von meinen schon geschnittenen Kürbiswürfelchen im Kühlschrank für ein anderes Gericht aufzubewahren. Die fertige Lasagne war super lecker und ich bin dankbar für die grossartige Idee, Kürbiskernöl direkt in die Bechamel einzuarbeiten, aber konkretere Angaben über die Gesamtmenge wären wirklich sehr hilfreich gewesen!
Bei 400 gepackt vollen Seiten sollte ich halt jetzt auch nicht pingelig sein, da kommen Fehler einfach vor, es wäre schon fast unheimlich, wenn es keine geben würde. Auf Seite 140 soll man laut Paul Ivic den Pastetenteig von Seite 388 nehmen (der verwendet statt ganzen Eiern nur Dotter). Auf Seite 38 wird mir geraten, den Nudelteig für die Spinatteigtaschen 5 mm dick auszurollen – das kommt mir einfach viel (!) zu dick vor, denn dieser dicke Teig sollte dann als Teigtasche in 4-5 Minuten gekocht sein? Auf Seite 104 bei der Auberginen-Tomaten-Lasagne hab ich ein wenig schmunzeln müssen, weil hier steht: “Die Tomaten vierteln, von den Kernen befreien. Die Samen fein schneiden und beiseite stellen.” Da stell ich mir vor, wie ich gerade versuche, einen einzelnen Tomaten-Samen “fein zu schneiden”. Auf Seite 213 gibt es das Rezept für eine recht überraschende Miso-Mayonnaise, nämlich eine ohne Miso. 🙃
ABER… Der Grossteil des Buches beinhaltet einfach super spannende Rezepte, die auch wirklich einfach nachzukochen sind, wie zum Beispiel diese Karamelisierten Krautfleckerl →
Was die Benutzung von diesem Buch sehr vereinfacht ist die sinnvolle Einteilung der Rezepte nach Zutaten: Wenn ich also eine bestimmte Art von Gemüse zu Hause hab und nach Rezepten dafür suche, dann finden sich die passenden Rezepte immer gleich auf aufeinander folgenden Seiten im Buch und man muss nicht lange im Index herumsuchen und herumblättern. Und ich erwähne das, weil nicht viele Kochbücher so genial gegliedert sind!
Die Rezepte sind generell in drei Schwierigkeitsgrade eingeteilt und sind mit Symbolen von Fenchelknollen gekennzeichnet, eine Fenchelknolle für einfach, drei Fenchelknollen für nicht ganz so einfach. So ist für jeden etwas dabei, vom Koch-Anfänger bis zum Koch-Fortgeschrittenen.
Es gibt ein paar Hinweise zur Küchenausstattung, löblicherweise sind diese sehr kurz gehalten und nehmen dem Wesentlichen, den Rezepten, nicht so viel Platz weg.
Es gibt auch noch ein paar Worte zu unterschiedlichen Gararten, saisonalem Einkaufen und einen doppelseitigen Saisonkalender, der einem hilft, einen Überblick über saisonale Produkte zu behalten.
Das Buch ist in folgende Kapitel eingeteilt:
Salate und Blattgemüse
Kohl
Mediterrane Gemüse
Kürbisgewächse
Wurzel- und Knollengemüse
Lauchgewächse
Noch mehr Knollen
Pilze
Hülsenfrüchte, frisch und getrocknet
Reis und Getreide
Wildpflanzen und Kräuter
Basics: Suppeneinlagen, Dressings, Marinaden und Vinaigrettes, Öle, Pesto,, Mayonnaise, Butter, Mojo und Eingelegtes, Warme Saucen, Teige
Vor jedem Kapitel gibt es auf ein paar Seiten jeweils passende Warenkunde und darauf folgend dann die Rezepte mit den jeweiligen Zutaten.
Und ganz zuletzt gibt es noch ein hilfreiches Alphabetisches Rezeptregister.
Fazit: man sollte schon ein bisschen Koch-Erfahrung haben und nicht blindlings den Mengenangaben in diesem Buch vertrauen, sondern sich eher auf den Hausverstand verlassen und die Rezepte wirklich als Anregung, als Inspiration und als Einladung zu verstehen, seine eigenen Rezepte daraus zu entwickeln.
Trotz der (hoffentlich) sanften Kritik für dieses Buch: ein Hoch auf Paul Ivić, der die vegetarische Gemüseküche in Österreich unabhängig von der Wirtshaus-Dreifaltigkeit von 1) gebackenem Emmentaler, 2) Knödel mit Ei und 3) Käsespätzle vorantreibt und ins Bewusstsein von so vielen gebracht hat! 🙏 🙏 🙏