Heute möchte ich ein Rezept aus einem für mich ganz besonderen Kochbuch vorstellen, und zwar aus dem Buch
Gute Küche :: Neuestes Kochbuch :: zusammengestellt nach Original-Rezepten von Leserinnen und Lesern der “Illustrierten Kronen-Zeitung”. 1910
Ich hab dieses Kochbuch schon als Jugendliche von meiner Grossmutter geschenkt bekommen, sie selbst hat es wiederum von ihrer Mutter (also meiner Urgrossmutter) bekommen, und deswegen liegt mir dieses Buch einfach sehr am Herzen. Irgend jemand in der Familie hat das Buch (bevor ich es bekam) neu binden lassen, damit die Seiten nicht davon fliegen – seitdem hat es diesen einfärbig roten festen Einband (anstelle des Original-Einbandes) →
Seit dem Erscheinen dieses Kochbuches sind nun doch schon mehr als hundert Jahre vergangen, und dementsprechend ist der Inhalt auch teilweise ein wenig veraltet: es gibt Masstabellen zum Umrechnen von Seidel auf Liter und von Lot auf Deka; bezahlt wurde damals noch mit Gulden, Kronen und Hellern; bei manch einem Rezept wird die Temperatur in Réaumur angegeben; und es werden allerlei Teile von Tieren verwendet, die bei uns schon lange nicht mehr ganz alltäglich sind, wie zum Beispiel Hirn, Herz, Milz, Lunge, Leber und so weiter. Bei wem gabs denn nun zuletzt Spinat mit Ochsenaugen (Rezept auf S. 182) ? Auch Angaben wie “Brausepulver (1 Packerl blau, 1 Packerl weiss)” geben einem Rätsel auf – und man lernt, dass “Provenceröl” die Bezeichnung für (etwas billigeres) Olivenöl ist, das bei der zweiten Pressung gewonnen wird (und das heute gar nicht mehr als solches angeboten wird).
Im Vorwort steht unter anderem: “Die Rezepte dieses Kochbuches sind für Hausfrauen und Mädchen bestimmt, welche kochen können.” Das heisst, es wird davon ausgegangen, dass a) man als Mann nie kochen wird müssen und b) man recht genau weiss was man tut, und aus diesem Grund sind die meisten Rezepte auch nur ein paar Zeilen lang. Beim Backen wird so gut wie immer darauf verzichtet, eine genaue Temperatur- bzw. Zeitangabe zu machen – man bäckt eben, bis es fertig ist, eh klar, oder ? 😉
Für mich ist dieses Kochbuch zwar hauptsächlich ein Nostalgie-Objekt, das mich beim Durchschmökern gedanklich in eine andere Zeit versetzt, aber auf den 4 1/2 Seiten, die laut Seitenüberschrift dem Gemüse gewidmet sind, hab ich das Rezept für diese geniale Frittatenroulade entdeckt (diese Suppeneinlage hat zwar mit Gemüse genau gar nichts zu tun, ist aber trotzdem total lecker !) →
Der Schinken wird bei mir einfach durch geriebenen Parmesan ersetzt (weil müssen tut man gar nichts, auch wenns so geschrieben steht) und somit ist meine Frittatenroulade ganz einfach vegetarisch und trotzdem voll mit Umami – quasi eine Frittatenroulade 2.0, geringfügig an meine Vorlieben angepasst. Ich kann mir als Füllung auch eine Variante mit Spinat und Schafskäse sehr gut vorstellen, oder eingearbeitete gehackte Oliven bzw. getrocknete Tomaten, oder verschiedene Kräuter etc. … In Zukunft werde ich sicher noch einige Frittatenrouladen-Experimente durchführen, weil ich bin mir ziemlich sicher, dass man hier tatsächlich alles Mögliche einwickeln kann ! 😄
Früher hat man als Suppe wahrscheinlich eine kräftige Rindsuppe verwendet, bei mir kommt aber natürlich eine Gemüsesuppe zum Einsatz (in diesem Fall ein selbst gemachter Gemüsefond nach der Winter-Methode) !
Bei meinem Zutaten-Foto oben fehlt nur das Öl zum Braten der Palatschinken, sonst ist alles da: Mehl, Milch, 1 Ei und Salz sind für den Palatschinkenteig – das zweite Ei, 1 EL von der Milch und der geriebene Parmesan sind für die Fülle.
Zuerst macht man die Palatschinken (im Original-Rezept als “Frittaten” bezeichnet):
Milch, Mehl, 1 Ei und 1 Prise Salz zu einem glatten Teig versprudeln und 1/2 Stunde rasten lassen. Um vier möglichst gleich grosse Palatschinken zu erhalten, den Teig am besten mit Hilfe einer Küchenwaage in vier gleich grosse Teile aufteilen. In einer beschichteten Pfanne ganz wenig Öl erhitzen und einen Teil (um genau zu sein: ein abgemessenes Viertel) des Teiges in die Pfanne giessen und durch Drehen der Pfanne so verlaufen lassen, dass der Teig die Pfanne mit einer gleichmässigen Schicht bedeckt. Am Rand noch etwas Öl zugiessen und die Palatschinke bei guter Hitze auf beiden Seiten hellbraun braten. Dasselbe mit den restlichen drei Vierteln vom Teig wiederholen, bis man eben vier Palatschinken hat.
Die vier Palatschinken “im Viereck” auflegen →
1 EL Milch mit dem Ei versprudeln und überall dort, wo die Palatschinken überlappen, etwas von der verquirlten Ei-Mischung aufstreichen →
Den Rest von der verquirlten Ei-Mischung auf die Palatschinken streichen und den Parmesan gleichmässig darauf verteilen →
Hier sieht man im Hintergrund schon eine Schicht vorbereitete Frischhaltefolie, in welche die Frittatenroulade dann zum Kochen eingewickelt wird. Wichtig ist, dass die Frischhaltefolie hitzebeständig (!) ist – es gibt eine eigene Frischhaltefolie, die für Mirkowelle geeignet und bis zu 160°C hitzebeständig ist.
Die Roulade von der unteren Seite her fest aufrollen, nach ca. 2/3 die Ränder seitlich einklappen (siehe Foto unten) und die Roulade fertig aufrollen. Wie weit man die Ränder einklappt hängt davon ab, wie gross der Topf ist und wie breit die Roulade sein darf: die Roulade sollte im Topf gut Platz haben →
Die fertige Rolle dann der Länge nach hintereinander in zwei Schichten hitzebeständiger Frischhaltefolie wickeln, danach die Enden gut verknoten, damit beim Kochen kein Wasser an die Rolle kommt →
In einem grossen Topf Wasser zum Kochen bringen und die Roulade einlegen. Bei geschlossenem Deckel ca. 25 Minuten kochen lassen (um sicher zu gehen, dass das Ei im Inneren der Roulade auch gut durch ist). Im Original-Rezept wird zum Einwickeln der Roulade statt der Frischhaltefolie eine Serviette verwendet und die Roulade wird kürzer in Salzwasser gekocht – der Vorteil von Frischhaltefolie aber ist, dass die Roulade nie zu weich wird, wenn man sie etwas länger kochen lässt. Man kann sie so auch gut vorbereiten und nach dem Kochen bis zur Verwendung einfach im noch heissen Kochwasser ziehen lassen.
Die Roulade aus der Folie auswickeln, etwas abkühlen lassen, dann in ca. 1 1/2 cm dicke Scheiben schneiden →
Frittatenroulade-Scheiben in Suppenteller geben und kochend heisse Gemüsesuppe angiessen, mit etwas gehackter Petersilie dekorieren und schmecken lassen, wie anno dazumal ! 🙂 →
Und hier gibt es noch – als literarisches Draufgabe – ein paar Werbeeinschaltungen von 1910 →
- FÜR DIE PALATSCHINKEN :
- 100 g Mehl
- 250 ml Milch
- 1 Ei
- 1 Prise Salz
- etwas Öl zum Braten
- FÜR DIE FÜLLE:
- 1 Ei
- 1 EL Milch
- 50 g geriebener Parmesan
- ZUM SERVIEREN:
- Gemüsesuppe
- Petersilie zum Dekorieren
- ZUM KOCHEN DER ROULADE:
- Mikrowellengeeignete Frischhaltefolie, bis zu 160°C hitzebeständig !
- Für die Palatschinken Mehl, Milch, Ei und Salz zu einem glatten Teig versprudeln und 1/2 Stunde rasten lassen. Um vier möglichst gleich grosse Palatschinken zu erhalten, den Teig am besten mit Hilfe einer Küchenwaage in vier gleich grosse Teile aufteilen.
- In einer beschichteten Pfanne ganz wenig Öl erhitzen und einen Teil (um genau zu sein: ein abgemessenes Viertel) des Teiges in die Pfanne giessen und durch Drehen der Pfanne so verlaufen lassen, dass der Teig die Pfanne mit einer gleichmässigen Schicht bedeckt. Am Rand noch etwas Öl zugiessen und die Palatschinke bei guter Hitze auf beiden Seiten hellbraun braten. Dasselbe mit den restlichen drei Vierteln vom Teig wiederholen, bis man eben vier Palatschinken hat.
- Die vier Palatschinken "im Viereck" auflegen.
- Für die Füllung 1 EL Milch mit 1 Ei versprudeln und überall dort, wo die Palatschinken überlappen, etwas von der verquirlten Ei-Mischung dazwischen streichen. Den Rest von der verquirlten Ei-Mischung auf die Palatschinken aufstreichen und den Parmesan gleichmässig darauf verteilen.
- Die Roulade von der unteren Seite her fest aufrollen, nach ca. 2/3 die Ränder seitlich einklappen und die Roulade fertig aufrollen. Wie weit man die Ränder einklappt hängt davon ab, wie gross der Topf ist und wie breit die Roulade sein darf: die Roulade sollte im Topf gut Platz haben.
- Die fertig aufgerollte Roulade der Länge nach hintereinander in zwei Schichten hitzebeständiger Frischhaltefolie wickeln, danach die Enden gut verknoten, damit beim Kochen kein Wasser an die Rolle kommt.
- In einem grossen Topf Wasser zum Kochen bringen und die Roulade einlegen. Bei geschlossenem Deckel ca. 25 Minuten kochen lassen.
- Die Roulade aus der Folie auswickeln, etwas abkühlen lassen, und dann in ca. 1 1/2 cm dicke Scheiben schneiden.
- Frittatenroulade-Scheiben in Suppenteller geben und kochend heisse Gemüsesuppe angiessen, mit etwas gehackter Petersilie dekorieren.
- Schmecken lassen, wie anno 1910 !