Gleich vorweg, wegen dem Gesetz über Werbung und so: Ich habe dieses Buch freundlicherweise gratis erhalten, um eine Rezension zu schreiben, aber dazu keinerlei inhaltliche Vorgaben bekommen.
Vor einiger Zeit hab ich hier das vorhergehende Buch Aroma: Die Kunst des Würzens vorgestellt. Dieses neuere Buch Aroma Gemüse ist von den selben Autoren (wie man unschwer anhand des ähnlichen Covers erkennen kann) und ich bin einfach absolut begeistert davon. Ich würde sogar soweit gehen, ganz frech zu behaupten, dass es in keinem (vegetarischen) Haushalt fehlen darf ! Es ist für mich das Buch aller Bücher (wenn es ums Kochen geht) und ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals wieder ein weiteres Kochbuch brauchen werde (obwohl … “brauchen” ist ja immer relativ zu betrachten), weil die Menge der Anregungen und Anleitungen in diesem Buch ist wirklich umwerfend.
Warum ich erst jetzt dazu komme, eine Rezension zu schreiben und nicht schon von einem halben Jahr, als ich das Buch bekommen hab ? Das liegt vermutlich daran, dass ich so viele tolle Rezepte und Tipps aus dem Buch gleich ausprobieren hab müssen (statt meine Rezension zu schreiben) – wie zum Beispiel Blumenkohl mit roten Linsen, Hing und Olivenbrösel oder verbrannter Topinambur als Gewürz, oder in Sojasauce bzw. Zitronensaft bzw. Salz eingelegte Rhabarber-Würfel oder Kohlrabi-Lassi und … und … und … und ausserdem hab ich mit Hilfe des Buches auch selbst schon viele neue Rezepte zusammengestellt und ausprobiert.
Die ersten 116 Seiten enthalten Kapitel mit detaillierten Informationen über die unterschiedlichsten Aspekte von Gemüse und ich möchte hier einfach kurz die originale Beschreibung dieser Kapitel zitieren, weil das wahrscheinlich präziser ist, als wenn ich selbst einen neuen Text darüber erfinde:
Gemüse – Genuss für alle Sinne
“Gemüse ist unglaublich vielfältig. Es schmeckt und dufter von süß bis sauer, von bitter bis herzhaft, blumig, schwefelig, nach Schokolade oder cremig wie alter Whisky. Es kann knackig oder samtweich sein, die Zähne stumpf machen, kühlen oder schmeicheln. Dieses Kapitel erklärt, wie wir diese Vielfalt überhaupt wahrnehmen (können).”
Kleine Naturwunder
“Warum riecht Kohl nach Kohl und Zwiebel nach Zwiebel? Wie bilden sich Gerüche in der Erde bei Wurzelgemüse und in der Luft beim Blattgemüse? Was sind “Generalisten” und “Individualisten” ? Die Antwort findet man in der molekularen Struktur der Gemüse, das führt zu ganz neuen Ideen in der Küche.”
Gemüseküche
“Gemüse kann man sehr vielfältig zubereiten und verzehren: roh, “pseudoroh”, fermentiert, eingelegt, blanchiert, gekocht, gebraten, gebacken, frittiert, gegrillt oder geräuchert. Das Spannende: Jedes Mal ändert sich das Aroma, Geschmack und Textur. Das macht Gemüse zu den eigentlichen Stars in der Küche. Vor allem, wenn man die molekularen Zusammenhänge versteht.”
Eine kleine Geschichte des Gemüseanbaus
“Ohne die Erfindung des Ackerbaus gäbe es heute kein Gemüse. Und unsere Landschaften sähen völlig anders aus, wir hätten keine Städte, keine Schrift, keine Industrie. Denn Ackerbau und Gartenbau benötigen Planung, Organisation, Zusammenarbeit, Züchtung, Düngung, technische Hilfsmittel und vieles mehr. Das hat auch das Gemüse verändert. Und verändert es noch.”
Und wer nicht so sehr für die Theorie begeistert, sondern sich gleich in neue Küchen-Experimente stürzen will, fängt gleich bei Seite 117 an:
Gemüse von A bis Z
“Alle Arten und Sorten, die man bei uns kaufen kann, worin sie sich unterscheiden, wie sie sich in der Küche einsetzten lassen. Von Exoten bis zu wiederentdeckten alten Sorten, von Klassikern zu ganz neuen Kombinationen mit unserem einzigartigen Farbleitsystem und Rezepten zum Ausprobieren.”
Wie auch schon im Buch Aroma: Die Kunst des Würzens kommt hier wieder das selbe Farbleitsystem zum Einsatz:
Und mit diesem Kapitel fängt der Spass so richtig an ! Ich gehe also auf den Markt und kaufe mir Lauch, weil der gerade in Saison ist, und dann blättere ich im Buch unter “L” zu Lauch (auf der rechten Seite gibt es wie bei einem Wörterbuch die Anfangsbuchstaben des Alphabets zum leichteren Nachschlagen) und schau mir dort an, was ich so alles mit meinem Einkauf anstellen könnte.
Bei jedem Gemüse gibt es eine kurze Einleitung über die chemischen Inhaltsstoffe mit nebenstehender Tabelle über die Aromen. Am Seitenrand gibt weitere Tabellen mit schnell erfassbarer Information:
- Eine kleine Balkengraphik zeigt, welche der fünf Geschmacksrichtungen das Gemüse hauptsächlich besitzt – süss, sauer, salzig, bitter, umami.
- Eine Auflistung der Mikronährstoffe zeigt, welche Vitamine bzw. Nährstoffe in welchen Mengen vorkommen.
- Eine Tabelle über Harmonie nach dem Farbleitsystem, lässt einen auch ohne weitere chemischen Kenntnisse schnell erkennen, was mit was harmoniert oder sich gegenseitig ergänzt.
- Eine kurze Liste mit dem Titel Passt zu listet Nahrungsmittel auf, die keine Gemüse sind
- Under Länderküche gibt es eine Auflistung von verschiedenen typischen Gerichten aus unterschiedlichen Ländern
- Wenn es unterschiedliche Sorten gibt, werden diese alle aufgelistet und kurz beschrieben.
- Es gibt Tipps zu Einkauf und Lagerung
- Eine kleine Balkengraphik zeigt, wann das Gemüse in Saison ist.
- Es folgen noch kurze Informationen über den Anbau.
Es gibt immer einen sehr ausführlichen Abschnitt über die Zubereitung, bei dem ich in meinem Buch mit Bleistift die für mich interessanten Hinweise unterstrichen bzw. herausgehoben hab, weil ich mir bis zum nächsten Mal (wenn ich zum Beispiel wieder mal bei Lauch nachschlage) die Fülle an Informationen nicht merken werde. Hier erfahre ich beispielsweise, wie ich Lauch richtig waschen soll, welche Teile (grün oder weiss) ich am besten wie verwenden kann und welche Auswirkungen unterschiedliche Zubereitungsmethoden auf das Aroma haben. Diese Anregungen enthalten oft selbst schon ganze Rezepte. Manchmal gibt es am Ende von diesem Absatz über Zubereitung auch noch Extra-Tipps, in diesem Fall erfahre ich, dass man die gesäuberten Wurzeln vom Lauch auch noch essen kann, in Tempurateig getaucht und in Öl frittiert, quasi als heimisch-exotische Delikatesse.
Dasselbe (das mit dem Unterstreichen und Hervorheben) gilt auch für den nächsten Absatz über mögliche Kombinationen. Hier werden einige mögliche Kombinationen (Harmonie und Kontrast, die beiden Prinzipien Food-Pairing und Food-Completing) nochmals genauer beschrieben. Warum passt zum Beispiel Lauch zu Kartoffeln? Beide harmonieren über ihre schwefeligen Düfte. Wo findet sich diese Kombination ? In der Kartoffel-Lauch-Suppe. Warum passt Lauch zu Eiern ? Wegen seines milden schwefeligen, weniger zwiebelig stechenden Aromas. Wo findet man Lauch in dieser Kombination ? In einer Quiche, in einem Rührei oder als Füllung eines Omeletts. Ich bekomme hier einen Tipp nach dem anderen: den Lauch in Butter langsam schmoren, geröstete Nüsse dazugeben, Blätter eines bitteren Rauchtees (z.B. Lapsang Souchong) mitschmoren – und vieles mehr !
Bei jedem Gemüse gibt es auch ein passendes Rezept, welches mit dem Wissen um die Harmonien und Kontraste von unterschiedlichen Zutaten erstellt wurde. Im Fall von Lauch gibt es die Anleitung zu Lauchcreme mit pochiertem Ei und angefrorenem Lauch. Einige wenige Male kommen in den Rezepten Fleisch oder Fisch vor, aber zum allergrössten Teil sind sie vegetarisch.
Bei einigen Gemüsesorten gibt es noch zusätzliche Informationen bzw. Tabellen, wie zum Beispiel folgende:
- Nach etlichen Seiten über alle möglichen Bohnensorten gibt es zum Beispiel Informationen über das Keimen von Hülsenfrüchten.
- Bei Paprika lernt man, welche Bedeutung der durch chemische Prozesse ausgelöste Farbwechsel beim Reifen in Bezug auf das Aroma hat.
- Wer gedacht hat, die Kartoffel sei ein simples Ding, wird eines Besseren belehrt:
- Bei Rettich lernt man, dass die Farbe ein Indikator für die Schärfe darstellt.
- Bei Kohl erfährt man, dass er je nach ph-Wert des Bodens zu Rotkraut oder Blaukraut heranwächst.
- Bei Eisberg-Salat wird erklärt, warum die Richtung, in der man die Blätter schneidet, für das Aroma von Bedeutung ist.
- Eine Doppelseite beschäftigt sich mit dem Haltbarmachen von Tomaten (wer hätte gedacht, dass man sie roh einfrieren kann !?)
Im Anhang findet man auf 8 weiteren Seiten unter dem Titel Was passt wozu ? noch etliche Anregungen für die eigene Kreativität.
Auf diese Weise hab ich zum Beispiel herausgefunden, dass ein paar zerstossene Kaffeebohnen einem gegarten Blumenkohl das besondere Etwas verleihen können, oder dass Honig durchaus zu Tomaten passen kann. Es gibt hier Kombinationen, die manchmal etwas “wild” anmuten, aber bisher hat wirklich alles, was ich ausprobiert habe, immer wunderbar geschmeckt !
Meine Hymne auf dieses grossartige Buch ist jetzt fast vorbei. Es gibt am Buchende noch zwei gesammelte Tabellen für alle im Buch vorkommende Gemüsesorten: Mikronährstoffe im Vergleich und ein hilfreicher Saisonkalender. Ein alphabetisches Register und ein Rezepte-Index und zwei Seiten Literaturhinweise beenden dann dieses 541 Seiten lange Buch. Ich wollte so etwas wie Wunderwerk oder irgendwas mit ultimativ schreiben, aber ich sollte mich jetzt zurückziehen und meine werten LeserInnen selbst entscheiden lassen, ob sie dieses Buch nun “brauchen” oder nicht. 😉
Und hier gibt es den Link zum Buch auf Amazon. Dort kann man sich beim “Blick ins Buch” schon etliche Seiten ansehen und so einen recht guten Eindruck gewinnen, wie man mit dem Buch arbeiten (oder vielleicht besser: spielen) kann.
Aroma Gemüse: Der Weg zum perfekten Geschmack (Affiliate Link, d.h. wenn jemand über diesen Link das Buch kauft, bekomme ich ein paar Prozente und freu mich drüber)